Okt 272020
 

Es ist nun fast zehn Jahre her, als ich vom frühen und unerwarteten Tod meines geschätzten Professors Dr. Axel G. Schmidt erfuhr. Ich war wirklich erschüttert und es hat mich einige Zeit beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt erwog ich eine Promotion bei ihm und niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass er bald „nicht mehr da“ sein könne.

So geht es uns wohl immer, wenn wir einen geschätzten Menschen (oder etwas breiter gedacht: ein geschätztes Lebewesen) verlieren. Obwohl es eine unumstößliche Gewissheit ist, dass alles Leben endet, blenden wir dies bewusst und unbewusst sehr „erfolgreich“ aus. Das müssen wir wohl auch, denn stets an den Tod zu denken würde uns womöglich davon abhalten, „richtig“ und frei zu leben, visionär zu sein und „groß“ zu denken.

Persönlich denke ich in letzter Zeit häufiger an den Tod (keine Sorge – ich schätze das Leben sehr und genieße und nutze es, so viel ich kann). Das mag daran liegen, dass ich rein statistisch betrachtet gerade am Wendepunkt stehe, was meine erwartete Lebenszeit betrifft. Es ist in gewisser Weise „Halbzeit“ – die erste Lebenshälfte wird reflektiert und Ziele und Prioritäten für die „zweite Halbzeit“ bestimmt: Was will ich noch erreichen? Wofür und mit wem möchte ich meine Zeit verbringen? Was ist wirklich wichtig?

„Memto mori – bedenke dass du sterblich bist.“ Diese Worte sollen dem siegreichen, römischen Feldherren in seinem Triumphwagen von einem Sklaven oder Priester ins Ohr geflüstert worden sein. Sie sollten ihn vor dem Hochmut bewahren, sich selbst für göttlich zu halten. In mittelalterlichen Klöstern kam der Ausdruck dann zu neuer Popularität in Folge des „dunklen Jahrhunderts“ und später dem epidemischen Auftreten der Pest.

Mein Eindruck ist, dass die Corona-Epidemie gerade ebenfalls einen Bewusstseinswandel forciert. Vieles wird mehr denn je hinterfragt, die Idee der „Nachhaltigkeit“ gewinnt immer mehr an Bedeutung. Im selben „Augenblick“, da die Menschheit unfassbare Fortschritte in der Technologie erzielt, wir uns zu einer Art „Homo Deus“ entwickeln, wird uns mehr und mehr bewusst, wie fragil unsere Zivilisation, unser Leben ist.

Der Klimawandel und die globale Epidemie zwingen uns dazu, uns mit großen gesellschaftlichen – wenn nicht gar existenziellen – Fragen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig erzeugt die hohe Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen strukturelle Veränderungen, mit der die Gesellschaft wie auch das einzelne Individuum kaum mitzuhalten vermag. Dies bildet den Nährboden für den zunehmenden Populismus, die Suche nach dem „starken Macher“ mit schnellen einfachen Antworten, „boomende“ Verschwörungstheorien und „gefühlt“ zunehmende psychische Erkrankungen.

Persönlich glaube ich, dass die kommenden zehn bis zwanzig Jahre weiterhin immens viele gravierende Veränderungen bringen werden – „positive“ wie „negative“. Wie man persönlich damit umgeht ist meines Erachtens eine Schlüsselentscheidung für die eigene Lebensqualität. Offenheit und Selbstwahrnehmung, -reflektion und -steuerung sind daher Kompetenzen, die ich als sehr bedeutsam erachte und die viel stärker pädagogisch in den Vordergrund gestellt werden müssen.

In diesem Kontext erachte ich „Memento mori“, sich der eigenen Sterblichkeit zu erinnern und das zur Priorisierung zu nutzen, als eine wichtige „Übung“. Das hat Steve Jobs sehr schön zum Ausdruck gebracht und daher verweise ich dazu auf meinen Beitrag „Nutze den Moment!“, wo ich das bereits erläutert und mit einigen praktischen Vorschlägen angereichert habe.

Zuletzt: Bedenke dass alles sterblich ist. Also auch deine dir nahe stehenden Menschen. Denke daran, wenn du dich über jemanden geärgert hast oder von jemanden verletzt wurdest, der dir wichtig ist. Irgendwann ist die Person nicht mehr da. Vielleicht schon morgen. Es ist daher immer besser, die eigene Eitelkeit, den eigenen Stolz, eigene Ängste zu überwinden und keine „Päckchen“ unnötig lange mit sich herum zu tragen. Es gibt nichts zu verlieren. Außer dem Leben. Und dann ist es zu spät.

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