Ich habe bisher in meinem Leben tendenziell die Position vertreten, sich nicht in Konflikte anderer einzumischen. Auf staatlicher Ebene erschien mir die Schweiz schon immer als gutes Vorbild hinsichtlich Außenpolitik. Beeindruckt hat mich auch die Idee der „Sternenflotten Hauptdirektive“ aus Star Trek, die „jegliche Einmischung in die normale Entwicklung fremder Kulturen und Gesellschaften“ vorsieht. Die USA habe ich in dieser Hinsicht als „Weltpolizist“ regelmäßig überaus kritisch betrachtet und geradezu verächtlich die vielen militärischen Eingriffe allein als Maßnahme zur Erhalt eines hegemonialen Imperiums interpretiert.
Es ist nicht so, dass ich diese Position vollends aufgegeben habe, doch die Entwicklungen im Nahen Osten (IS) haben mich ebenso zu einem Umdenken bewegt wie ganz konkret meine Rolle als Vater:
Es ist immer einfach so zu tun, als gingen einen die Entwicklungen fernab der Heimat nichts an. „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ habe auch ich vehement abgelehnt und bin hier weiterhin zurückhaltend. Doch wir leben in einer Zivilisation, die immer vernetzter ist, immer mehr interdependent, immer mobiler – und durch Technologie immer größeres Zerstörungspotenzial in sich trägt. Daher können expansive Weltanschauungen wie sie der IS vertritt nicht ignoriert werden. Und daher halte ich es inzwischen auch für fahrlässig, den Nordkoreanern bei der Entwicklung von Atomwaffen einfach nur zuzusehen.
Auch im direkten Umfeld habe ich gelernt, dass das Prinzip der Nichteinmischung schlichtweg nicht konsequent durchgehalten werden kann, da man sehr schnell in Konflikte zu anderen Prinzipien und Zielen gerät. Ganz konkret: Ich habe immer die Position vertreten, mich nicht in die Erziehung anderer Kinder „einzumischen“ – das sei Angelegenheit der anderen Eltern. Doch wie geht man dann konkret damit um, wenn andere Kinder Einfluss (physisch und psychisch) auf die eigenen Kinder nehmen – und zwar in einer Weise, die den eigenen Idealen und Vorstellungen widerspricht und wo deren Eltern nicht aktiv werden? Der eigene „Erziehungsauftrag“ kann nicht so durchgeführt werden, als hätten die eigenen Kinder keinen Kontakt zu anderen. Und daher kommt das Prinzip der Nichteinmischung genau an diesem Punkt an seine Grenzen.
Um das zu betonen: Das Prinzip der Nichteinmischung ist aus meiner Sicht grundsätzlich sinnvoll, da es eine gewisse Demut beinhaltet und von Sendungsbewusstsein getragener „Missionierung“ abhält. Indes darf man nicht blind und inaktiv genau solchen Strömungen gegenüberstehen. Denn sie wiederum verletzen ein zentrales Grundrecht, das sich ebenfalls in der „Star Trek Förderationscharta“ findet: Das Recht „selbst unabhängig von Einmischungen Dritter zu entscheiden, welche ethischen und moralischen Grundsätze für einen gelten.“ Aus genau diesem Grund stehe ich auch generell Religionen skeptisch gegenüber. Oft enthalten diese zwar wertvolle ethische Regeln, jedoch wird auch eine Weltanschauung vermittelt, die abgrenzt und/oder expansiv ist.
Das was ich hier schildere hat sehr viele Facetten und ich glaube, dass eine Ethik der gesamten Zivilisation hier ansetzen muss. Ob Kernkraft, Gentechnik oder eben „lokale“ Konflikte: Aus meiner Sicht bedarf es einer stringenten Methodik, die „Einmischung“ bzw. Intervention für alle Beteiligten/Betroffenen nachvollziehbar macht. Die UNO gilt z.B. vielen als „Papiertiger“, wo Stimmen gekauft werden können und die doch „nie richtig durchgreift“. Es ist ein wiederkehrendes Argument der USA, warum sie viele militärische „Alleingänge“ durchführen. Dennoch denke ich, dass die Grundidee der UNO die richtige ist. Aspekte, die globale Bedeutung haben, müssen global beantwortet werden – auf effektive Art und Weise.
Wenn es ein Land gibt, bei dem man die Wichtigkeit dieser Frage sieht, dann ist es Syrien. Syrien ist der Schlüssel. Findet „die Welt“ eine gemeinsame Antwort auf die Herausforderungen dort, kann man recht optimistisch in die Zukunft blicken. Häufen sich Alleingänge wie die der USA und Russlands, bewegen wir uns auf einem sehr gefährlichen Pfad.
Mir ist bewusst, dass das Thema „Einmischung“ im konkreten Einzelfall immer zu Diskussionen führen wird. Und doch glaube ich, dass es eine der zentralen Fragen unserer Zeit ist und im weitesten Sinne für eine nachhaltige menschliche Zivilisation beantwortet werden muss.
In meinem eigenen nahen Umfeld werde ich am Prinzip der Nichteinmischung festhalten. Zumindest solange dadurch keine Grundwerte in Gefahr geraten.