Marco Feiten

Juli 062025
 

In seinem Buch „Homo Deus“ beschreibt Yuval Noah Harari, wie der Mensch kurz davor steht, „gottähnliche“ Fähigkeiten zu erlangen und auf Unsterblichkeit, die „Konstruktion“ von dauerhaften persönlichem Glück (z.B. durch Neurotechnologie, Psychopharmaka) und das Erschaffen von Leben abzielen wird.

Ray Kurzweil kündigte schon 2005 die bevorstehende „technologische Singularität“ an, der Moment, wenn künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz übertrifft und sich rasant selbst verbessert, wodurch die Zukunft der Menschheit nach diesem Ereignis nicht mehr vorhersehbar ist.

Es stellen sich somit einige bedeutsame Fragen: Wie werden sich die Menschheit und unsere Zivilisation verändern, wenn KI Menschen in nahezu allem überlegen ist? Was bedeutet dies für unser Wirtschaftssystem, das auf Wettbewerb, knappen Ressourcen und einem Wachstumsparadigma aufbaut? Inwiefern werden Menschen staatliche Ordnung noch akzeptieren, wenn KI auch der Politik überlegen ist?

Harari sieht einen fundamentalen Bedeutungsverlust des Menschen kommen, denn mit der Entstehung von Superintelligenz und der Möglichkeit, dass Algorithmen unsere Entscheidungen besser treffen können als wir selbst, wird der Mensch seinen Status als Krone der Schöpfung endgültig verlieren. Harari warnt davor, dass:

  • viele Menschen von wirtschaftlicher Bedeutung entkoppelt werden („nutzlose Klasse“)
  • ethische Fragen um Menschenrechte, Privatsphäre und Identität neu gestellt werden müssen
  • die Welt nicht mehr von bewussten Wesen (Menschen), sondern von nicht-bewussten, aber intelligenten Algorithmen dominiert werden könnte.

Wir nähern uns zügig einer „neuen Welt“, die je nach Betrachtungsweise sehr nahe an Dystopien heranreicht: Autonom agierende Drohnen und Kampfroboter, totale Überwachung via Satelliten und Drohnen, „Krieg der Sterne“ durch „Satellitenkiller“ sowie erste „Dunkle Fabriken“ in China ohne jegliche menschliche Arbeiter lassen uns schnell an Filme wie „Terminator“ denken, wo Maschinen gesteuert durch eine Superintelligenz („Skynet“) die Kontrolle übernehmen. Tatsächlich weiß niemand, welche Folgen das Erreichen einer „AGI“ – einer künstlichen allgemeinen Intelligenz – auf unsere Welt haben wird.

Mich erinnert die Diskussion um KI an eine Szene aus dem Film „Good Will Hunting“, in welcher Sean Maguire (Robin Williams) dem Genie Will Hunting (Matt Damon) erläutert, warum er trotz seines umfassenden Wissens und seinem intellektuellen Können ein „Kind“ ist. „Michelangelo. Du wirst alles wissen. Sein Lebenswerk kennst du. Seine Ansichten. Sein Verhältnis zum Papst. Seine sexuellen Neigungen. Einfach alles. Aber ich wette du kannst mir nicht sagen, wonach es in der Sixtinischen Kapelle riecht. Du bist nie dagewesen und hast diese wunderbare Decke gesehen. Dort oben.“ Diese Filmszene ist ein Highlight in einem äußerst sehenswerten Film. Und sie sagt etwas über KI aus, was sehr wesentlich ist: KI hat keine eigene – mit und durch Emotionen geprägte – Wahrnehmung, kein eigenes Bewusstsein, keinen Willen, keinen Körper, keine Gefühle. So faszinierend wir die Erzeugnisse von KI finden mögen – sie basieren letztlich auf unserem eigenen Schaffen und die KI „weiß“ nicht was sie weiß. Sie weiß nichts aus „persönlicher“ Erfahrung, sie weiß nichts aus – durch Glaubenssätze und Erfahrungen geprägter – Interpretation, aus Erleben. Sie hat keine Schmerzen und empfindet kein Glück. KI berechnet lediglich Stück für Stück die wahrscheinlich beste Antwort auf eine Fragestellung.

Was mir noch viel fundamentaler erscheint ist, dass KI keine Endlichkeit hat. Sie hat keinen „einprogrammierten“ finalen Tod. Angenommen, man gäbe einem Roboter alle oben aufgeführten Aspekte und würde – basierend auf Selbstwahrnehmung und künstlich erzeugten Emotionen sowie einem Programm zum „Selbsterhalt“ – sogar eine Art Bewusstsein erschaffen. Also gewissermaßen einen „Data“ (Raumschiff Enterprise). Dieser „Data“ wüsste dennoch zu jedem Zeitpunkt, dass er vollkommen replizierbar ist. Und damit in gewisser Hinsicht unsterblich. Wie könnte „Data“ Ehrfurcht oder Demut fühlen, staunen, Ehrgeiz entwickeln? Warum sollte er dem Moment Bedeutung beimessen, wo doch noch „unendlich“ viele weitere kommen werden? Wie wichtig könnten ihm Zeitgenossen sein in diesem Kontext? Wovor hätte er wirklich „Angst“? Was würde ihn treiben?

Es ist unsere Sterblichkeit, die allem Leben und dem Jetzt Bedeutung verleiht. Sehr prägnant ausgedrückt durch Homer in Illias und verwendet im Film Troja: „Die Götter beneiden uns. Sie beneiden uns, weil wir sterblich sind, weil jeder Augenblick unser letzter sein könnte. Alles ist so viel schöner, weil wir irgendwann sterben. Nie wirst du zauberhafter sein als in diesem Moment, nie wieder werden wir hier sein.“ Oder wie Steve Jobs es formuliert hat: „Der Tod ist sehr wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens. Er ist der Veränderer des Lebens. Er räumt das Alte aus, um Platz für das Neue zu schaffen.“

Der Mensch wird mittels KI möglicherweise Wege finden, die Lebenserwartung signifikant zu verlängern. Doch den Tod als solches wird er nicht „bezwingen“. Denn der Körper ist nicht nur ein Vehikel, das unseren Geist trägt und „einfach so“ erneuert oder ausgetauscht werden kann. Bewusstsein ist nach meiner Überzeugung nicht emergent – es ist anders herum: Bewusstsein ist der Ursprung, die physische Welt das Konstrukt. Bewusstsein entsteht nicht im Raum, Raum entsteht durch Bewusstsein.

Mit unendlichem Gespür vernimmt die Seele Töne, die das Ohr nicht hört,
und sieht, was den Augen verborgen bleibt,
durch alle Zeiten, Räume hin und über sie hinaus.
Grenzenlos, ursprünglich ist ihr Wissen – ihre Erinnerung.

– I Ging

Ich habe es schon an anderer Stelle formuliert: Es gibt nur das Jetzt. Wir erleben die Zeit als Prozess, als Abfolge von Geburt, Wachstum/Entwicklung, Zerfall und letztlich dem Tod. Immer wieder. Und ohne jegliche Aussicht, dass dies jemals anders sein könnte (was letztlich einen wesentlichen Aspekt aller Religionen ausmacht, die das „Danach“ postulieren und dem Bewusstsein einen Hoffnungsschimmer geben).

Ein kleiner Exkurs in die „Metaphysik“: Wie möglicherweise aus meinen anderen Beiträgen ersichtlich bin ich nicht religiös. Ich glaube nicht an „Gott“ i.S. etablierter Religionen. Was mir am wahrscheinlichsten erscheint ist, dass es ein „Superbewusstsein“ bzw. eine „Superintelligenz“ gibt und wir sowie alles Leben und alle Dinge Teile davon darstellen, denen ein eigenes Bewusstsein gegeben ist, das sich zur Selbstentwicklung und Selbsterkennung verkörpert und durch Denken, Fühlen und Handeln seine Welt erschafft im geteilten „Bewusstseinsmeer“ bzw. der geteilten Welt der Anderen. Wir sind ein Tropfen im Meer – und damit das Meer, ein Sandkorn in der Wüste – und damit die Wüste. Wir sind ein Fraktal. Ein Schwingungsknoten in einem Bewusstseins-Netzwerk. Und es steht überall „geschrieben“, überall dieselben Muster (z.B. Fibonacci-Spiralen kommen in Hurrikanen, Sonnenblumen und Muscheln vor). Wir sehen eine Syntax. Die Religionen sind m.E. „Erinnerungen“ daran. Man lese z.B. die folgenden Zeilen aus der Bibel (Johannesevangelium) und ersetze „Wort“ durch „Bewusstsein“: „Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.“ (Joh 1,1).

Genug dazu. Dieser Beitrag geht um KI und Menschsein und – wie alle meine Artikel – betrachte ich ihn als Wegweiser oder zumindest Impulsgeber für meine Kinder sowie für alle, die es lesen und daraus für sich etwas gewinnen. Selbst KI-Modelle. 🙂

Neben KI sind weitere technologische Entwicklungen ebenfalls sehr bedeutsam, z.B. das Arbeiten an einer Hirn-Computer-Schnittstelle (Neuralink), Quantencomputer oder die Bestrebungen nach einem Fusionsreaktor. Alle diese Technologien können die Welt, wie wir sie kennen, fundamental verändern. Zu ersterem möchte ich noch vertiefen:

Alexandr Wang, Gründer und CEO von Scale AI, einer Plattform für Datenannotation, die Trainingsdaten für maschinelle Lernmodelle bereitstellt, ließ kürzlich verlauten, er warte mit Nachwuchs, bis Elon Musks Neuralink realisiert ist. Wenn ein hochbegabter KI-Experte eine solche Aussage macht, sollte das Beachtung finden, denn die Implikationen sind weitreichend. Konkret: „Wenn wir Neuralink und diese anderen Technologien bekommen, werden Kinder, die damit geboren werden, lernen, sie auf verrückte Weise zu nutzen“, sagte Wang und erklärte, dass die ersten sieben Lebensjahre – wenn die Neuroplastizität ihren Höhepunkt erreicht – den fruchtbarsten Boden für die Integration von KI in die menschliche Erfahrung darstellen.

Hier geht es also nicht darum, dass uns KI beherrscht. Es geht um Fusion. Um Integration bzw. „Transhumanismus“. So wie wir derzeit „always on(line)“ sind, könnte eine Hirn-Computer-Schnittstelle Lernen in einer Weise verändern, wie es z.B. im Film „Matrix“ angedeutet wurde: relevantes Wissen wird ad-hoc „hochgeladen“. „Augmented Reality“ würde somit nicht durch ein externes Gerät erzeugt, sondern direkt in unserem Kopf. Wang sieht es als Notwendigkeit an, damit Menschen „relevant bleiben, wenn KI immer besser wird“. Wenn er Recht behält, könnte es durchaus sein, dass diese neue „post-biologische“ Spezies Menschen ohne Schnittstelle bzw. ohne integrierter KI so eklatant hinter sich lässt, dass es auf eine Dominanz bzw. Beherrschung hinausläuft.

Persönlich glaube ich nicht, dass es so kommen wird. Denn wie oben beschrieben, ist reine Information – ohne Emotion, ohne Kontext – nicht ausreichend. Ich glaube sehr wohl, dass man Technologien wie Neuralink punktuell einsetzen können wird, z.B. um motorische Fähigkeiten zu trainieren oder Wissenserwerb zu beschleunigen. Indes sehe ich noch keine neuen „Super-Menschen“ am Horizont. Was mir wesentlich wichtiger erscheint ist, „Nutzen“ neu zu definieren, denn Harari hat durchaus einen validen Punkt: Menschen identifizieren sich weitestgehend über ihre Arbeit, deren Wert wiederum primär quantitativ/wirtschaftlich verstanden wird. Wenn KI-gestützte Anwendungen und Roboter fast alles besser können als Menschen und wir möglicherweise durch ein bedingungsloses Grundeinkommen keine Zwänge mehr haben, worin finden wir dann Sinn und Bedeutung? Oder etwas krasser formuliert: wenn wir ins „Paradies“ kommen (bzw. es erschaffen haben), was ist dann unsere Aufgabe? Wozu sind wir da?

Ich sehe ab 2030 das größte Risiko darin, dass Menschen KI-gestützte autonome Waffentechnologie einsetzen ohne alle Folgen wirklich vorhergesehen zu haben. Und sich viele Menschen in Ermangelung von Religion bzw. Spiritualität und gefühlter Nutzlosigkeit in virtuellen Welten und „alternativen“ Bewusstseinszuständen verlieren werden. Ich empfehle dazu als Denkimpuls das Buch „Die beste aller Welten“ von Gerhard Schulze. Das Buch ist schon über zwanzig Jahre alt, seine Inhalte aus meiner Sicht aber aktueller denn je:

„Je mehr wir können desto wichtiger wird die Frage wer wir sind und was wir wollen. […] Jenseits der Sachen findet das Subjekt sich selbst als Thema wieder.“

„Neben dem alten Zentrum der Sachen, der Natur, des Könnens gewinnt das Zentrum des Subjekts, der Kultur, des Seins an Macht; Immer mehr von dem was sachbezogen zu tun ist wird von Sachen selbst erledigt. Das sachbezogene Tun der Menschen fällt auf einen historischen Tiefstand.“

KI – sowie viele andere neue technologische Durchbrüche – werden uns Menschen dazu zwingen, Menschsein neu und tiefer zu definieren. Und ich glaube, dass ein Gefühl immer entscheidender sein wird, damit wir uns nicht selbst ins Chaos stürzen: Demut. Vor dem Leben. Vor dem Universum. Vor allem was ist.

„Das Einzige, was du hast und was niemand sonst hat, bist du. Deine Stimme, dein Verstand, deine Geschichte, deine Vision. Also schreibe und zeichne und baue und spiele und tanze und lebe so, wie nur du es kannst.“
– Neil Gaiman

Feb. 152025
 

Kürzlich stieß ich in meinem Twitter-Feed auf dieses Bild und es hat mich zum Nachdenken gebracht:

Fehler kann nur jemand nicht machen, der nicht handelt. Und da auch das Nicht-Handeln ein Fehler sein kann, gibt es de facto niemanden, der keine Fehler macht. Heißt: Fehler sind unvermeidbar und integraler Teil unseres Daseins. Und damit sollten Fehler per se kein Grund sein, dass man sich um den Schlaf bringt. Doch gehen wir tiefer:

ChatGPT antwortet auf die Frage, was ein Fehler ist: „Ein Fehler ist eine Abweichung von einer Regel, Erwartung oder einem gewünschten Zustand. Die Bedeutung hängt vom Kontext ab“. Aus der weiteren Antwort lasse ich jene zu Technik, Wissenschaft und Sprache raus – es geht mir primär um diese beiden Punkte hinsichtlich Fehlern:

  1. Allgemein: Ein Irrtum oder eine falsche Entscheidung.
  2. Ethik & Moral: Eine Handlung, die als falsch oder problematisch betrachtet wird.

Zu 1. Ein Irrtum kann ein falscher Kenntnisstand sein bzw. daraus hervorgehen. Es kann auch Teil des Lernens sein. Aus der wikipedia: „Versuch und Irrtum oder Trial and Error ist eine heuristische Methode des Problemlösens, bei der so lange zulässige Lösungsmöglichkeiten getestet werden, bis eine geeignete Lösung gefunden wurde. Dabei wird oft bewusst auch die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf genommen. In der Umgangssprache bezeichnet man diese Vorgehensweise als „Ausprobieren“.“

Jede Mutter und jeder Vater hat bei seinen Kindern erleben können, wie diese permanent „Fehler machen“ – bis sie sie eben nicht mehr machen. Etwa beim Erlernen des Laufens, Trinkens, Fahrradfahrens. Für ein Kleinkind ist es vollkommen normal UND akzeptiert, dass es Fehler macht. Erst ab der Schulzeit – wenn der „Ernst des Lebens beginnt“ (eine unnötige Formulierung, die mich als Kind damals verwundert und verunsichert hat), werden wir dazu konditioniert, dass Fehler „schlecht“ und zu vermeiden sind. Selbst in Schulfächern, in denen Experimente vorkommen, sollen „Fehler“ vermieden werden. Ich will das nun nicht weiter vertiefen, da es mir in diesem Beitrag um etwas anderes geht – aber man sollte sich klar machen, woher eigentlich das tiefe Unbehagen kommt, Fehler zu machen. Und dass die Angst Fehler zu begehen Barrieren errichtet, die uns möglicherweise von wirklich großartigen Taten abhalten.

Oben bei 1. fand sich auch „falsche Entscheidung“. Hierzu habe ich eine relativ klare Sicht: es gibt keine falschen Entscheidungen. Dies meine ich genau so. Denn wie auch immer wir uns entscheiden – die gedachte Alternative hat eine Wahrscheinlichkeit, wir werden aber niemals mit Bestimmtheit wissen, ob sie so eingetreten und was die Folgen gewesen wären. Heißt: Mit „falschen“ Entscheidungen zu hadern ist aus meiner Sicht eine Angelegenheit des Geistes, eine unnötige Last, die man selbst konstruiert und schnellstmöglich loslassen muss.

„The worst decision is indecision“ – oder nach Cicero: „More ist lost by indecision than wrong decision“. Daher sollte das ein Prinzip für das Leben sein: Triff Entscheidungen! Manche sollten wohl überlegt sein – z.B. die Wahl des Wohnortes, Wahl des Partners oder des Berufs – aber entscheidend ist, dass man letztlich entscheidet. Im Zweifel gilt: Wenn du dich nicht entscheiden kannst, ist die Antwort „Nein“.

Ich möchte noch etwas zu falschen Entscheidungen anmerken: Meiner Beobachtung nach hadern wir manchmal mit getroffenen Entscheidungen, obwohl es möglich wäre, sich umzuorientieren, also gewissermaßen „neu“ zu entscheiden. Doch aus einem Gefühl des Zwangs, der Selbstverpflichtung, des Prinzips, Schams oder auch einfach aus Bequemlichkeit und Schwäche tun wir es nicht. Stattdessen tragen wir nun unentwegt das Bild mit uns, dass alles hätte besser sein können, aber es „ja nicht möglich“ war. Das ist eine sehr gefährliche Last, denn sie vergiftet das Gewählte und kann sogar – wenn es gewichtige Aspekte betrifft – das gesamte Leben und die eigene Gesundheit sowie auch Beziehungen zu anderen sukzessive zerstören. Vor dieser Art der Gedanken gilt es hochkritisch zu sein und sie schnellstmöglich und mit aller Kraft zu ersetzen durch starke Punkte, warum wir es genau so wollen wie es jetzt ist. Das ist kein Selbstbetrug – es ist die bewusste Entscheidung, die Dinge zu nehmen wie sie sind und sie zu wollen wie sie sind. Es ist die bewusste Entscheidung, die eigene Aufmerksamkeit auf das Positive der aktuellen Situation zu richten und Dankbarkeit zu fühlen. Es ist die bewusste Entscheidung, dass wenn der „Muffi Schlumpf“ in uns schon wieder in unserem Kopf zu sprechen beginnt, wir das erkennen und ihm in Gedanken mitteilen, dass das sein Problem und nicht das unsere ist, weil wir die Situation so angenommen haben wie sie ist.

Lebe dein Leben so, als ob alles zu deinen Gunsten ausgelegt wäre.
– Rumi

Nur wenige Entscheidungen sind wirklich irreversibel. Was irreversibel ist, ist der Gang der Zeit. Wir können nur im Jetzt handeln und glücklich sein. „Die Vergangenheit ist nur eine Geschichte, die wir uns selbst erzählen“ – ein Zitat aus dem Film „Sie“, das mich sehr angesprochen hat, weil viel Wahrheit darin liegt. Denn die Vergangenheit ist eine Erinnerung in unserem Kopf, eine Interpretation von Geschehnissen, eine eigene Konstruktion. Sie ist nicht (mehr) „real“. Bzw. nur noch in so weit, wie wir ihr Bedeutung und Gegenwart geben. Man wird mir hier womöglich widersprechen – „so einfach ist das nicht“, „die Vergangenheit hat mich geprägt“ etc. Und ja – Erinnerungen an Vergangenes tragen wir mit uns und diese prägen unsere aktuelle Wahrnehmung. Und dennoch sind wir frei, sie loszulassen bzw. umzudeuten. Ich sage nicht, dass das einfach ist – aber es ist möglich und damit eine Wahl, die wir treffen.

Zu 2. Handlungen, die wir als Fehler betrachten, sind für uns insbesondere dann schwer zu ertragen, wenn wir die Handlung wider besseren Wissens und Gewissens vollzogen haben. Ein Handeln, ein Fehler, der unbeabsichtigt entstanden ist, wiegt immer geringer als das intentionale Handeln. Der Kontext entscheidet jedoch generell, wie schwer es uns fällt, diese Fehler zu akzeptieren. Angenommen, aus Unachtsamkeit kommt ein anderer Mensch durch uns zu Schaden, so werden wir das wieder gut machen wollen. Ist dies nicht möglich, ist es eine „Schuld“, die wir nicht begleichen können. Und hierbei kommt das Verzeihen ins Spiel.

Ich glaube es hat einen Grund, warum z.B. in der Bibel so viel um Verzeihung gebeten wird. Immanuel Kant schrieb in „Kritik der praktischen Vernunft“: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“ Der Mensch hat ein eingebautes Gewissen, eine immanente Ethik. Und daher fällt es uns sehr schwer, uns und anderen eben solche Fehler zu verzeihen, die gegen diese Ethik verstoßen haben.

Auch hier gilt weiterhin: der Kontext ist wichtig. Eine Handlung, die ethisch oder moralisch verwerflich ist, fällt immer auch in eine Epoche, in eine Situation. Ich möchte hier keine vertiefte Diskussion zu Ethik und Moral als solche entfachen – dem kann ein Blog-Beitrag ohnehin nicht gerecht werden. Mir geht es um das Verzeihen. Ich glaube, dass Verzeihen gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst, befreit. Oder anders gesagt: wer nicht verzeiht, verstetigt. Und wird sein eigener Gefangener. Und da in nicht wenigen Religionen Gottheiten um Vergebung gebeten werden, scheint es leider hochmenschlich zu sein, sich nicht selbst vergeben zu können/wollen. Hierzu empfehle ich das Buch „ZeroLimits“, in dem die hawaiianische Ho’oponopono-Methode beschrieben wird. Die Quintessenz erscheint trivial und der scharfe Verstand wird es vorschnell als „billige Esoterik“ abtun. Und doch habe ich erfahren, dass es wirkt. Man spricht zu sich selbst oder im Hinblick auf eine Person oder ein Problem folgende Sätze und wiederholt diese immerzu im Geiste:

Wie beschrieben: urteile nicht, bevor du es nicht möglichst unvoreingenommen für eine aussagekräftige Weile selbst ausprobiert hast.

Ich möchte noch ein wichtiges Prinzip mitgeben, das in den Kontext dieses Beitrages gehört:

Wer einen Fehler gemacht hat und nicht korrigiert, begeht einen zweiten.
– Konfuzius

Ein Fehler, der mehr als einmal wiederholt wird, ist eine Entscheidung.
– Paulo Coelho

Fehler soll man sich und anderen verzeihen – aber wenn Fehler struktureller Natur sind und wiederholt werden, dann gilt es, sich zu disziplinieren oder sich Hilfe zu suchen. Und – wenn es Mitmenschen betrifft und diese keinerlei Bereitschaft zeigen, dieses Verhalten zu sehen und zu ändern – diese möglichst zu meiden. Ich weiß, dass das hart klingt und mir ist durchaus klar, dass wir uns manchen Menschen verpflichtet fühlen. Indes:

Dazu auch ein passendes Zitat von Mike Tyson: „Wenn du ein Freund von allen bist, bist du ein Feind deiner selbst.“ Ich muss zugeben, dass das Zitat anfällig für Fehlinterpretation ist. Worauf ich hinaus möchte ist, dass man in erster Linie sich selbst gegenüber Verantwortung trägt. „Fehler“ bei anderen sind wie ein Spiegel. Die Lösung liegt daher in uns selbst, nicht im Versuch, die andere Person zu verändern.

Abschließend und passend zum aktuellen Zeitgeist: ruft man ChatGPT auf findet sich ganz unten der Vermerk: „ChatGPT kann Fehler machen“. Das ist natürlich eher als „Disclaimer“ gemeint. Ich habe jedoch die Befürchtung, dass die Menschheit aufgrund immer besserer KI das in einigen Jahren kaum noch beachten wird. KI könnte uns derart überlegen erscheinen, dass wir das eigene Denken und Lernen vernachlässigen. Und das wird unweigerlich Fehler erzeugen. KI wird uns perspektivisch in so gut wie allem überlegen sein. Aber sie wird nicht wir sein. Selbst bei einer Totalüberwachung und konstanter Fütterung mit Daten wird keine KI Verantwortung für uns, unser Denken und Handeln übernehmen können.

Wir werden immer Fehler machen. Denn das ist, wie eingangs beschrieben, die Natur des Daseins. Versuch und Irrtum. In einer sich wandelnden Umwelt. Fehler sind Lektionen. Nehmen wir sie dankbar an und machen das Beste daraus. Denn darum geht es.


Was denkst du zu dem Beitrag? Welche Impulse kannst und möchtest du mir geben? Ich danke dir für deinen Kommentar hier oder direktes persönliches Feedback.

Aug. 122023
 

Es ist jetzt schon über ein Jahr her, seit dem mein Vater gestorben ist. Ich hätte niemals gedacht, wie sehr der Tod eines so nahe stehenden Menschen einen prägt und beschäftigt. Es vergeht fast kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke. An seine Worte, teils Wortfetzen, teils situative Erklärungen und Appelle, Lektionen aus meiner Kindheit sowie auch sein Rat und seine Hilfe in meinen Erwachsenenjahren. Und seine Art, wie er das Leben betrachtete und sein Leben führte.

Und dann denke ich über mich selbst nach. Meine Rollen. Als Sohn, Stiefsohn, Ehemann, als Unternehmer und „Chef“, Freund, Bruder, Stiefbruder, Onkel, Nachbar, Mitmensch, Selbstentwickler. Und eben als Vater. Und seit mein eigener Vater nicht mehr da ist, frage ich mich:

Was wäre mir wichtig meinen Kindern mitgegeben zu haben, wenn ich unerwartet früh selbst sterben würde?

Diese Frage bekam diese Woche eine „Erinnerung“ – Katja Dofel ist mit 52 Jahren verstorben. Ich kannte sie „nur“ aus dem Fernsehen, aber es hat mich berührt, da ich sie in jungen Jahren oft bei n-tv sah und sie stets so einnehmend lächelte. Und mit 52 sollte das Leben nicht schon enden.

Ich will daher keine Zeit verlieren und zumindest in einem – diesem – ersten Beitrag meine zwölf wichtigsten Botschaften an meine Kinder (mit)geben:

  1. Ich liebe euch – bedingungslos. Selbst wenn ich es nicht immer adäquat zeige. Und ich bin stolz auf euch und dankbar, euch in meinem Leben zu wissen. Ihr seid Inspiration, Freude und Antrieb für mich!
  2. Habt Mut! Mut euren eigenen Weg zu gehen, Mut Fehler zu machen, Mut auf Menschen zuzugehen, Mut eure Gefühle zu zeigen, Mut zu vergeben, Mut das Richtige zu tun.
  3. Lebt nicht das Leben anderer. Lebt euer eigenes selbst gewähltes und gestaltetes Leben – maximal bewusst.
  4. Bleibt offen – auch in späteren Lebensjahren. Für neue Erfahrungen, für neue und andere Ideen. Für andere Kulturen, andere Menschen, neues Können und neues Wissen. Und nutzt euren Verstand! Nachdenken, echtes fokussiertes Nachdenken in möglichst vollkommener Stille, ist eine der am meisten unterschätzten Ressourcen in der heutigen Zeit.
  5. Lernt „Nein“ zu sagen. Indem ihr er es tut. Wer zu Vielem „ja“ sagt, ist letztlich nirgends richtig dabei, wird eher zerrieben und versäumt eher das Jetzt. Und nur im Jetzt liegt das Glück. Also seid fokussiert.
  6. Seid positiv und glücklich. Das Glück hängt nicht von einem „Wenn“ ab. Es ist eine – eure – Entscheidung. In jedem einzelnen Moment. Unabhängig von den Umständen. Denn ihr habt immer und ausnahmslos die Macht, die Umstände zu interpretieren. Es gibt keine Realität an sich. Ihr schafft diese Realität!
  7. Achtet auf euch, euren Körper. Er ist das Kostbarste was ihr habt. Pflegt ihn. Und trainiert ihn. Regelmäßig und kontinuierlich. Und zwar den physischen wie auch den psychischen Körper. Denn dieser ist eins.
  8. Strebt nach Meisterschaft im Leben, praktiziert Kaizen, die stetige Verbesserung. Gebt immer alles, strengt euch an, gebt 110%! Und lernt das Plateau zu lieben, in dem sich scheinbar nichts tut und sich doch latent die Basis bildet für den nächsten Entwicklungsschub, die nächste Stufe. Erkennt, dass das Leben primär das „Dazwischen“ ist, zwischen den „Highlights“. Und das genau dieses „Dazwischen“ das eigentlich Wertvolle ist.
  9. Seid füreinander da. Man hat nur wenige echte und dauerhafte Freunde, auf die man sich in allen Lebenslagen verlassen kann. Die selbst in dunkelsten Zeiten zu euch halten. In der Familie sollte das anders sein. Indes gilt immer und priorisiert Botschaft 3 (siehe oben): In erster Linie seid ihr für euch selbst verantwortlich. Erst danach kommen Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde und alle anderen.
  10. Tragt keine „Päckchen“ unnötig lange mit euch rum. Jeder Mensch macht Fehler. Teils schwere Fehler. Diese soll man gründlich reflektieren, nicht wiederholen und so weit wie möglich wieder gut machen. Es bringt indes niemandem etwas, sich in „unendlichen“ Selbstvorwürfen und negativen Gedanken und Gefühlen zu vergraben. Lasst das los. Die Vergangenheit ist vergangen, sobald ihr sie loslasst. Handeln könnt ihr nur JETZT.
  11. Das Leben ist ein Fluss und wie jeder Fluss endet es im Meer. Egal wie viele Kurven es genommen hat, wie sehr die Sonne schien, wie viele Nebenflüsse dazu stießen und wie schön die Täler waren, durch die es floss – am Ende kommt das Meer. Ihr werdet sterben. Sich dessen bewusst zu sein bzw. sich dies ab und an ins Bewusstsein zu rufen hilft, Prioritäten zu setzen, das Leben intensiver zu fühlen und zu führen, es zu genießen und zu nutzen.
  12. „Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite des Zaunes.“ Denkt immer daran, wenn ihr mit eurem Körper, euren Besitztümern, eurem Partner, eurem Job etc. hadert. Unzufriedenheit ist eine Kraft, die euch – positiv eingesetzt – voranbringen kann. Indes, erkennt immer auch eure bereits vorhandenen Privilegien, das Glück, das ihr habt. Und teilt es, wann immer ihr könnt. Geteiltes Glück wird nicht weniger. Es wird mehr.

Eines meiner noch offenen Lebensziele ist es, mein „Vermächtnis“ an euch in einem Buch einzubringen. Sollte dies – warum auch immer – nicht mehr geschehen, so ist hiermit zumindest „ein kleines Häkchen dran“. Und wie beim Training ist ein kleines Häkchen immer besser als gar keines.

In Liebe, Dankbarkeit, Freude und Glück

Euer Vater

Juli 072022
 

Dies wird ein sehr persönlicher Beitrag, aber das Sterben und der Tod sind integraler Teil unserer Welt und sich damit auseinanderzusetzen wichtig, um das Leben bestmöglich zu nutzen und zu gestalten. Ich schreibe dies als Würdigung und Wertschätzung meines Vaters, als emotionales Ventil und zur Reflektion sowie Dokumentation für mich selbst sowie auch als Impuls für all jene, die diese Zeilen lesen werden.

Mein Vater wurde 75 Jahre alt. Er hat stets betont, „Teil der Natur, Glied einer Kette zu sein“. Und er hat immer wieder gesagt, dass er keine Angst vor dem Tod habe, er sich jedoch ein möglichst schmerzfreies Sterben wünscht. So ist es gekommen. Ich war bei ihm als es geschah, sah ihm in die Augen und legte meine Hände sanft auf seine Schultern bis zum letzten Atemzug. Eine völlig neue Erfahrung, für die ich dankbar bin und die mir Ruhe gegeben hat.

Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde bei ihm eine fortgeschrittene chronisch myeloische Leukämie diagnostiziert. Abgesehen von den letzten Monaten war er recht fit, was ich durchaus auch auf die täglichen Runden mit seinem Hund zurückführe. Nichts hält den Körper mehr fit als regelmäßige Bewegung. Darauf achte ich bei mir und allen die mir wichtig sind. Mein Vater war ein „Schaffer“, fleißig und gestaltend, was ich immer als Vorbild begriffen habe und selbst lebe.

Er war wahrlich kein umgänglicher Mensch. Er hatte seinen eigenen Kopf, wenig Empathie, war extrem direkt. Nicht wenige Menschen hat er von den Kopf gestoßen, wenn nicht gar verletzt. Aber mein Vater war auch ehrlich, absolut zuverlässig, sparsam, zielstrebig, tatkräftig, hilfsbereit und zeigte eine selten vorzufindende Zivilcourage. Er mochte keine Gesellschaft, legte wenig Wert auf Beziehungen und war nicht bereit sich für andere zu „verbiegen“. Er war wer er war und achtete nur wenig auf die Gefühlswelt anderer Menschen. Möglicherweise hat dazu seine recht harte Kindheit beigetragen. Und mit „hart“ meine ich Erfahrungen, die wir heute nicht (mehr) kennen: Hunger, Entbehrung, teils brutale Erziehungsmethoden, generell viel mehr Gewalt zu dieser Zeit. Er musste für vieles kämpfen, was wir heute als selbstverständlich erachten. Und das hat er getan.

Ich bin stolz darauf, was er aus sich gemacht hat. Für ihn waren eine solide finanzielle Situation, ein eigenes Haus und eigenes Werken und Schaffen Lebensziele, die er allesamt erreicht hat. Er war beruflich KFZ-Mechaniker und imstande, eigene Lösungen wortwörtlich zu (er)schaffen. Dafür habe ich ihn stets bewundert. Mich, meinen Bruder sowie auch meinen Stiefbruder hat er indes von handwerklicher Arbeit versucht wegzuhalten: „Ihr sollt nicht wie ich die Knochen hinhalten… ihr sollt es besser haben als ich.“ Tatsächlich hatte mein Vater ein starkes Denken in Klassen und hat sich als „Arbeiter“ verstanden. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass ich als „Büromensch“ heute teils mehr körperliche Beschwerden habe („Rücken“) als er im gleichen Alter und Handwerker heute auch teils besser verdienen und mehr Jobsicherheit haben als ein Bankkaufmann, was ich ja einstmals erlernt habe. Für mich habe ich daraus schon früh(er) abgeleitet, dass man als Elternteil die Zukunft nur sehr bedingt antizipieren kann und es daher besser ist, den eigenen Kindern „zeitlose“ Kompetenzen (z.B. Kommunikation) sowie ein konstruktives Mindset zu vermitteln und Vertrauen zu schenken in ihrem Lebensweg, ohne diesen selbst vorzeichnen zu wollen.

Mein Vater hat mich gelehrt, dass ein starker Wille Berge versetzen kann und Hartnäckigkeit und Fleiß sich immer auszahlen. Als ein Mensch mit großer Energie – auch Aggression – hat er Dinge erreicht, die man aus meiner Sicht mit förmlichen Anschreiben und höflich-zurückhaltender Ansprache niemals erreicht hätte. Auch das hat sich mir eingeprägt. Wer etwas möchte muss dafür kämpfen und dran bleiben!

Aufgrund der oben genannten Härte aus seiner Kindheit, sowie wohl auch einfach seiner Natur heraus, war mein Vater wenig imstande, gegenüber ihm nahe stehenden Menschen Gefühle auszudrücken oder zu zeigen. Das war indes nicht sein Problem. Und ich denke, dass er damit „Recht“ hatte. Denn wenn wir Dinge bzw. Verhaltensweisen von anderen erwarten und diese Personen dies nicht tun (können/wollen), dann ist es unser Problem. Und somit liegt die Lösung eben auch bei uns selbst.

Ich erinnere mich daran, dass ich in meiner Kindheit mit meinem Vater und Bruder nach London und Paris war. Mein Vater hat weder Englisch noch Französisch beherrscht. Und dennoch sind wir klar gekommen und hatten viel Spaß. Ich schreibe das deshalb, weil es zu dieser Zeit auch noch kein Internet oder Mobiltelefone gab. Dinge zu tun, auf die man nicht oder nur sehr marginal vorbereitet ist, erweitern den Horizont. Mein Vater hatte nie ein Problem fremde Menschen anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Auch das wird mir in Erinnerung bleiben.

Mein Vater liebte das Verhandeln. Nicht selten war es mir peinlich, wenn er selbst in Geschäften mit offensichtlichen Preisaushängen zu handeln begann. Indes: Als ich als Jugendlicher ein neues Zimmer wollte, fuhren wir in ein Möbelhaus. Mir gefiel eines der Jugendzimmer sehr gut und ich wollte es gerne haben. Mein Vater sagte dann zu Hause zu mir: „Wenn du es runtergehandelt bekommst, dann kaufen wir es.“ Also überwand ich meine Ängste, rief bei dem Möbelhaus an und verhandelte… Der Verkäufer war beeindruckt und gewährte tatsächlich einen markanten Rabatt. WAS FÜR EIN ERFOLG!! Ich war soo stolz und fühlte mich wie ein König! Diese Erfahrung hat lange nachgehallt und tut es auch bis heute noch. Die Lehre, die ich daraus zog: Preise sind immer verhandelbar. Es gibt nichts zu verschenken. Ein Handel ist legitim. Man muss überzeugen können. Und man kann und wird dabei „wachsen“, wenn man sich überwindet.

Was mein Vater ebenso liebte war der verbale Streit. Es betrachtete ein Streitgespräch als nichts negatives, sondern als Herausforderung. Für ihn war Streit häufig ein Selbstzweck. Dies entsprach und entspricht nicht meinem Naturell. Und doch: Wer dem Streit generell aus dem Weg geht, wird letztlich nur sehr eingeschränkt eigene Wünsche und Vorstellungen umsetzen können oder überhaupt Akzente setzen. Wie so oft ist es eine Frage des „Wie“.

Was mir am meisten fehlen wird ist die Geborgenheit. Mein Vater war wie oben beschrieben wenig stark darin Gefühle auszudrücken. Aber dass man ihm viel bedeutet konnte man aus seinem Handeln erschließen. Egal welches Problem ich hatte und welchen „Bock ich geschossen hatte“, mein Vater stand zu 100% hinter mir und war sofort zur Stelle. Ohne jeden Umschweif. Dieses Gefühl, jemanden zu haben der einen – bedingungslos – auffängt, hat mich stets gestärkt und ich tue mein Bestes, um Menschen die mir viel bedeuten genauso zur Seite zu stehen.

Mein Vater ist nun tot. In gewisser Hinsicht ist damit auch ein Teil von mir gestorben. Und ein Teil von ihm lebt in mir fort. Er fehlt mir und wird mir fehlen. Und doch ist dies der Gang der Dinge. Einst werde ich in seiner Rolle sein und meine Kinder und die Welt loslassen müssen. Bis dahin werde ich weiter das Leben genießen, lernen, wachsen, entdecken, nachdenken, gestalten, tatkräftig sein, Freude haben und bereiten, Impulse geben.

Zuletzt: Es gibt so etwas wie „Qualitätszeit“. Das ist die Zeit, die wir bei großer Gesundheit, Fitness und recht frei von Sorgen gemeinsam mit jemandem verbringen. Mir ist dies vor allem nun in den letzten zwei Jahren bewusst(er) geworden, weil die Pandemie mich einiger Chancen für gemeinsame Qualitätszeit und Erlebnisse mit meinem Vater (und anderen) „beraubt“ hat. Wenn man Dinge zusammen unternehmen möchte, dann sollte man dabei nicht nur das Erlebnis als solches anstreben, sondern auch den Kontext berücksichtigen und – so weit möglich – direkt planen (im Sinne von Umsetzen). Konkret: Die Lebensphase hat immensen Einfluss auf das Erlebnis an sich und die Bewertung und Wahrnehmung desselben. Alles hat seine Zeit. Wichtiges soll nicht in die unbestimmte Zukunft verlegt werden. Denn wir wissen nie, wie lange wir oder die Personen, mit denen wir ein Erlebnis teilen möchten, noch da sind und in welcher Verfassung wir und sie dann sind. Memento mori. Das Glück liegt im Jetzt und es ist an uns, die Prioritäten richtig zu setzen. Der richtige Moment dafür ist JETZT – dazu hier eine kleine Anleitung.

Im Foto sieht man mich mit meinem Vater rund einen Monat vor seinem Tod beim Spiel Eintracht Trier gegen FC Hertha Wiesbach. Die Eintracht gewann 3:1 und es war eine wichtige Voraussetzung für den Aufstieg in die Regionalliga, was meinem Vater sehr am Herzen lag. Es war unser letzter gemeinsamer Event. Und in gewisser Hinsicht eine Rückkehr zum Ursprung, da ich schon als Kind und Jugendlicher viele Spiele mit meinem Vater besucht habe. Ich dachte meinem Vater mit dem Spiel noch eine Freude zu bereiten. Tatsächlich war es anders herum: für ihn war es eine große Anstrengung, die er nur mir zu Liebe auf sich genommen hat. Danke, Papa! Für alles.

Okt. 272020
 

Es ist nun fast zehn Jahre her, als ich vom frühen und unerwarteten Tod meines geschätzten Professors Dr. Axel G. Schmidt erfuhr. Ich war wirklich erschüttert und es hat mich einige Zeit beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt erwog ich eine Promotion bei ihm und niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass er bald „nicht mehr da“ sein könne.

So geht es uns wohl immer, wenn wir einen geschätzten Menschen (oder etwas breiter gedacht: ein geschätztes Lebewesen) verlieren. Obwohl es eine unumstößliche Gewissheit ist, dass alles Leben endet, blenden wir dies bewusst und unbewusst sehr „erfolgreich“ aus. Das müssen wir wohl auch, denn stets an den Tod zu denken würde uns womöglich davon abhalten, „richtig“ und frei zu leben, visionär zu sein und „groß“ zu denken.

Persönlich denke ich in letzter Zeit häufiger an den Tod (keine Sorge – ich schätze das Leben sehr und genieße und nutze es, so viel ich kann). Das mag daran liegen, dass ich rein statistisch betrachtet gerade am Wendepunkt stehe, was meine erwartete Lebenszeit betrifft. Es ist in gewisser Weise „Halbzeit“ – die erste Lebenshälfte wird reflektiert und Ziele und Prioritäten für die „zweite Halbzeit“ bestimmt: Was will ich noch erreichen? Wofür und mit wem möchte ich meine Zeit verbringen? Was ist wirklich wichtig?

„Memto mori – bedenke dass du sterblich bist.“ Diese Worte sollen dem siegreichen, römischen Feldherren in seinem Triumphwagen von einem Sklaven oder Priester ins Ohr geflüstert worden sein. Sie sollten ihn vor dem Hochmut bewahren, sich selbst für göttlich zu halten. In mittelalterlichen Klöstern kam der Ausdruck dann zu neuer Popularität in Folge des „dunklen Jahrhunderts“ und später dem epidemischen Auftreten der Pest.

Mein Eindruck ist, dass die Corona-Epidemie gerade ebenfalls einen Bewusstseinswandel forciert. Vieles wird mehr denn je hinterfragt, die Idee der „Nachhaltigkeit“ gewinnt immer mehr an Bedeutung. Im selben „Augenblick“, da die Menschheit unfassbare Fortschritte in der Technologie erzielt, wir uns zu einer Art „Homo Deus“ entwickeln, wird uns mehr und mehr bewusst, wie fragil unsere Zivilisation, unser Leben ist.

Der Klimawandel und die globale Epidemie zwingen uns dazu, uns mit großen gesellschaftlichen – wenn nicht gar existenziellen – Fragen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig erzeugt die hohe Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen strukturelle Veränderungen, mit der die Gesellschaft wie auch das einzelne Individuum kaum mitzuhalten vermag. Dies bildet den Nährboden für den zunehmenden Populismus, die Suche nach dem „starken Macher“ mit schnellen einfachen Antworten, „boomende“ Verschwörungstheorien und „gefühlt“ zunehmende psychische Erkrankungen.

Persönlich glaube ich, dass die kommenden zehn bis zwanzig Jahre weiterhin immens viele gravierende Veränderungen bringen werden – „positive“ wie „negative“. Wie man persönlich damit umgeht ist meines Erachtens eine Schlüsselentscheidung für die eigene Lebensqualität. Offenheit und Selbstwahrnehmung, -reflektion und -steuerung sind daher Kompetenzen, die ich als sehr bedeutsam erachte und die viel stärker pädagogisch in den Vordergrund gestellt werden müssen.

In diesem Kontext erachte ich „Memento mori“, sich der eigenen Sterblichkeit zu erinnern und das zur Priorisierung zu nutzen, als eine wichtige „Übung“. Das hat Steve Jobs sehr schön zum Ausdruck gebracht und daher verweise ich dazu auf meinen Beitrag „Nutze den Moment!“, wo ich das bereits erläutert und mit einigen praktischen Vorschlägen angereichert habe.

Zuletzt: Bedenke dass alles sterblich ist. Also auch deine dir nahe stehenden Menschen. Denke daran, wenn du dich über jemanden geärgert hast oder von jemanden verletzt wurdest, der dir wichtig ist. Irgendwann ist die Person nicht mehr da. Vielleicht schon morgen. Es ist daher immer besser, die eigene Eitelkeit, den eigenen Stolz, eigene Ängste zu überwinden und keine „Päckchen“ unnötig lange mit sich herum zu tragen. Es gibt nichts zu verlieren. Außer dem Leben. Und dann ist es zu spät.

Sep. 082020
 

„Das Leben ist voller Entscheidungen, keine davon ist neu. Die älteste ist, ob man ein Opfer sein will. Oder ob man keins sein will.“

Das Zitat ist aus dem Film „The Accountant“. In einer Schlüsselszene sagt der Vater – ein Offizier der US Army im Bereich Psychologische Kriegsführung – diese Worte zu seinem Sohn, weil dieser immer wieder wegen seines Autismus von anderen Kindern geärgert und geschlagen wird und nun vor der Entscheidung steht, sich zu wehren.

Übergeordnet wird oftmals zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ unterschieden. Es gibt etliche Bücher und Videos darüber, wie man ein Gewinner wird, was Gewinner auszeichnet etc.

Meiner Ansicht nach ist „der Gewinner“ ein Mythos, ein mentales Konstrukt. Denn was genau soll ein „Gewinner“ sein? Offensichtlich jemand der gewinnt. Aber was? Wobei? Wie oft? Und ist das wichtig?

Ob man „Gewinner“ oder „Verlierer“ ist, hängt maßgeblich davon ab, wie man das definiert und misst. Es gibt eben nicht den Gewinner oder Verlierer.

Zweifellos mag es Kriterien geben, die eine Vielzahl an Menschen als Attribute sehen würden – zum Beispiel Freunde, Geldvermögen, Ansehen, Prestige, Einfluss. Indes sind dies keine absoluten Kriterien. Und es gibt auch keine Möglichkeit, eine allgemein gültige Bewertungsmatrix zu erstellen.

Nach meiner Ansicht kann man Erfolg nur für sich selbst definieren. Und damit hat man de facto die Deutungshoheit bzw. eine Wahl darüber, ob man „Gewinner“ oder „Verlierer“ ist – ungeachtet dessen, was andere dazu sagen. Natürlich empfehle ich dennoch, dazu auch Rat bzw. Impulse bei anderen zu suchen. Aber was man letztlich für sich festlegt ist die eigene Wahl.

Erfolgreich sein kann für jeden etwas völlig anderes bedeuten. Viele bekannte „erfolgreiche“ Unternehmer, Politiker oder Künstler sind dies eben nur in speziellen Gebieten. Sie versagen jedoch teils gravierend in anderen Bereichen, z.B. Freundschaften, Partnerschaft, Kindererziehung, Gesundheit.

Wer ein Gewinner sein will, muss demnach zuerst für sich definieren, was das genau bedeutet. Und das dann wiederkehrend überprüfen und anpassen, da sich die Definition je nach Kontext und Lebensphase durchaus markant verändern kann. „Gewinner“ und „Verlierer“ an sich gibt es nicht. In dem Kontext verweise ich auf die einfache Weisheit im Film „Forrest Gump“: Dumm ist der, der Dummes tut. Genauso sehe ich es auch hinsichtlich Gewinnen und Erfolg:

Ein Gewinner ist der, der in den Bereichen die ihm wichtig sind, „gewinnt“ – Erfahrung, Können, Wissen, Gesundheit, Anerkennung, Verbundenheit, Vertrauen, Geld, Einfluss, Bekanntheit, Fitness,… Erfolgreich ist der, der etwas nachhaltig für seinen gewünschten Erfolg tut. Und dabei sollte klar sein, dass das keine gerade Linie sein kann. Erfolg geht immer mit Misserfolg einher, Gewinnen immer mit Verlieren. Der wichtige Punkt ist, dass man dran bleibt. Oder in den Worten von Thomas Alva Edison:

„Erfolg ist ein Gesetz der Serie und Misserfolge sind Zwischenergebnisse. Wer weitermacht, kann gar nicht verhindern, dass er irgendwann auch Erfolg hat.“

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukehren: Die Entscheidung ob man ein Opfer sein will oder nicht ist die gleiche wie die, ob man sich als „Gewinner“ oder „Verlierer“ betrachtet. Es ist unser Denken und Handeln, das uns zu etwas macht. Man ist nichts an sich. Wir sind es, die unsere Realität gestalten. Daher:

Gewinner oder Verlierer – es ist deine Wahl! Immer!

Apr. 242020
 

Ich weiß – das klingt arg nach „Esoterik“. Aber es entspricht meiner bisherigen Erfahrung. Und es gibt diverse Erkenntnisse aus der Wissenschaft, die diese Aussage bestätigen.

Nach einer Studie aus dem Jahr 2010 („Ein menschlicher Geist ist ein wandernder Geist, und ein wandernder Geist ist ein unglücklicher Geist“) waren fast die Hälfte der Probanden „mit ihren Gedanken regelmäßig woanders“ als bei dem, was sie gerade taten. Zudem zeigte sich, dass je mehr die Teilnehmer der Studie mit den Gedanken nicht im Jetzt verweilten, desto unglücklicher fühlten sie sich. Und dabei war es unerheblich, ob sie an positive oder negative Dinge aus der Vergangenheit oder Zukunft dachten – allein die Tatsache nicht im Jetzt zu sein führte dazu, dass sich die Personen weniger glücklich fühlten.

Das Jetzt ist der einzige wirklich relevante Moment – nur JETZT können wir handeln. Die Vergangenheit ist geschehen und wir können mehr oder weniger nur noch die Ereignisse anders interpretieren, aber nichts mehr wirklich tun. Die Zukunft ist ein „Raum von Möglichkeiten“ – wir haben Einfluss darauf, aber Handeln und Fühlen können wir nur jetzt. Es ist definitiv wichtig, die Vergangenheit zu reflektieren und Ziele und/oder eine Vision für die Zukunft zu haben – aber Glück als emotionaler Zustand können wir schon rein praktisch nur im Jetzt finden.

Indes tragen viele Menschen Erlebnisse aus der Vergangenheit oder Vorstellungen hinsichtlich der Zukunft täglich gedanklich und emotional mit sich – zulasten ihres Glücks. Wie viele Sorgen hast du dir schon „umsonst“ gemacht, weil es nie so kam wie befürchtet? Und selbst wenn es mal genauso kam – was haben dir die Sorgen im Vorfeld „gebracht“?
Die Zeit läuft und wer „in Gedanken“ ist verpasst dabei das Hier und Jetzt, die wortwörtlich einmalige Chance des gegenwärtigen Moments.

Mir fällt z.B. immer wieder auf, dass Menschen versuchen „Glück“ mit Fotos oder Videos digital einzufangen. Wenn man das tut, sollte man m.E. zumindest kurz „innehalten“ und hinterfragen, ob es gerade nicht besser wäre einfach den Moment voll zu genießen. Ich will damit nicht sagen, dass ich Fotos und Videos „verbanne“. Oft sind diese wirklich schön, inbesondere auch für Menschen, die nicht dabei waren. Das Risiko liegt für mich darin, dass der Fotografierende im Moment der Freude selbst nicht „richtig“ dabei ist – wegen Fotoeinstellungen, der Suche nach einem besseren Standort etc. Das Bewusstsein ist nicht voll im Jetzt und damit wird eine Chance vertan – die auch nicht mehr retrospektiv (als beim späteren Anschauen der Fotos und Videos) genutzt werden kann. Im Gegenteil ist man dann wieder nicht im Jetzt…

Aus der Neurobiologie ist inzwischen bekannt, dass das menschliche Gehirn zeitlebens neue anatomische Strukturen bilden kann. Was wir denken bestimmt die Struktur des Gehirns und die Struktur des Gehirns bestimmt auch, was wir denken. Oder anders: Die Software beeinflusst die Hardware und die Hardware umgekehrt auch die Software. Demnach ist es elementar wichtig, das eigene Denken an sich bewusst zu gestalten. Gedanken erscheinen oftmals wie „Blitze“ unkontrollierbar – tatsächlich liegt jedoch gerade in der – erlernbaren – Steuerung durch mentales Training und Visualisierung eine unglaubliche Kraft. Wir sind nicht unsere Gedanken – sondern unsere Gedanken sind eines unserer Instrumente, mit denen wir die Realität gestalten.

Noch einen Schritt weiter geht Hedda Hassel Mørch in ihrem sehr lesenswerten Beitrag „Ist Materie bewusst?“. Darin erläutert die Autorin die Idee, dass Materie intrinsisch bewusst ist. Demnach ist Materie die Software und Bewusstsein die Hardware. Das klingt womöglich kontraintuitiv und doch kann ich der Idee einiges abgewinnen. „Mehr und mehr erscheint das Universum wie ein großer Gedanke anstatt wie eine große Maschine“ sagte einst der Astronom Sir James Jeans und brachte damit diese Idee unwissentlich in eine prägnante Formel. Was hat das nun mit der Ausgangsthese zu tun, dass das Glück im Jetzt liegt?

Nun, wenn man sich dem Konzept gedanklich öffnet leitet sich daraus ab, dass das Jetzt der „Kraftpunkt“ des Bewusstsein ist. Das eigene Bewusstsein gestaltet die eigene Welt – sogar physisch. Je achtsamer wir im Jetzt sind, desto mehr erfahren wir die schöpferische Freude – und desto schöpferischer sind wir auch.

Ich möchte das Thema nicht überstrapazieren und zu sehr ins „Mystische“ bzw. Spekulative abdriften. Dieser Beitrag soll Impulse setzen für mehr Achtsamkeit in allem was wir tun, für völliges waches Dasein im aktuellen Moment. Das ist nach meiner Wahrnehmung die Quintessenz von Meditation und vielen verwandten Praktiken wie z.B. Yoga oder autogenem Training. Mir geht es jedoch mehr darum, dieses Bewusstsein gerade auch im Alltag zu leben – eine nach innen und außen gewandte Achtsamkeit, die bewusste Nutzung all unserer Sinne und unseres Denkens um das JETZT in möglichst vielen Facetten zu erfahren UND zu gestalten.

Wann hast du dir die Menschen in deiner Nähe zuletzt wirklich genau angesehen? Wann hast du zuletzt in einer Wiese gesessen und alle Sinneseindrücke wirklich in ihrer vollen Dimension wahrgenommen? Die Düfte, die Geräusche, die Bewegung – das Leben? Wann hast du dir zuletzt die Zeit genommen und dir – ohne Ablenkung, ohne Fotos zu machen oder anderen Gedanken nachzuhängen – den Untergang der Sonne angeschaut (wir sprechen hier von wenigen Minuten!)? Wie genau schmeckt dein morgendlicher Kaffee? Und was hast du auf deinem Weg zur Arbeit wirklich bewusst wahrgenommen? …

Dies sich unentwegt ins Gedächtnis zu rufen und beim Abdriften der Gedanken sich genau dessen bewusst zu werden führt zu mehr Glückserfahrung – ungeachtet der äußeren Umstände. Das Glück ist nichts, was man „erlangt“ oder „findet“, man „ist“ es – indem man möglichst bewusst im Jetzt agiert. Oder anders: Jeder ist seines Glückes Schmied. Wortwörtlich.

Sep. 062019
 

Wie oft hast du schon zu jemanden und/oder dir selbst gesagt „Ich habe keine Zeit“? Formal betrachtet war es jedes Mal gelogen, denn die Stunde, der Tag, die Woche, das Jahr ist für alle Menschen gleich lang – wir haben alle gleich viel Zeit. Wer lebt, hat Zeit. Der Punkt ist, wie man diese Zeit ausfüllt. „Ich habe keine Zeit“ heißt streng genommen, dass man seine Zeit für etwas anderes einsetzt als für das, was offenbar gerade als Alternative im Raum steht.

Meines Erachtens sollte die Aussage „Ich habe keine Zeit“ generell vermieden werden. Wer das sagt, versucht sich zu entschuldigen. Vor sich selbst und/oder vor anderen. Durch diese oftmals reflexartige Antwort vergibt man jedoch eine riesige Chance. Vor jeder Antwort sollte man sich fragen „Wofür ist die Zeit verplant?“ und „Was ist wirklich wichtig?“.

Das ist keineswegs trivial. Ich wage zu behaupten, dass wer regelmäßig äußert „keine Zeit“ zu haben seine Lebenszeit „verschwendet“. Es mag sein, dass man arbeiten, die Kinder holen oder zum Arzt muss. Indes ist es dann einfach besser, genau das zu sagen und die Worte „Ich habe keine Zeit“ gar nicht erst auszusprechen. Faktisch setzt man Prioritäten. Und das ist auch gut so.

Wichtig ist, dass die Prioritäten wirklich reflektiert werden. Und dass man seine zur Verfügung stehende Zeit bewusst wahrnimmt und einsetzt. Der Tag hat – abzüglich ca. 7 Stunden für den wirklich wichtigen Schlaf – 17 Stunden, die man aktiv nutzen kann. Und das jeden Tag. Bis zum Tod.

Es ist mir klar, dass z.B. kranke Menschen hier Einwände äußern werden, weil sie womöglich Zeit für die Behandlung aufwenden müssen. Auch ist mir klar, dass „man ja arbeiten muss um seine Bedürfnisse zu finanzieren“. Es gibt demnach Einschränkungen im Zeitbudget. Indes ist genau das entscheidend: „Wofür ist die Zeit verplant?“ und „Was ist wirklich wichtig?“.

Meiner Beobachtung nach werden Prioritäten häufig falsch gesetzt. Dies geschieht manchmal aus mangelnder Achtsamkeit, teils indes auch durch eigene Beschränkungen. Mit „Beschränkungen“ meine ich „falsche“ Überzeugungen (über sich selbst und/oder das Umfeld bzw. den Kontext), eigene (Selbst)Verpflichtungen (die womöglich weniger bedeutsam/bindend sind als man meint), mental gesetzte Schranken („Ich bin kein Sportler“, „Ich habe kein Talent für xyz“) sowie auch einfach aus Bequemlichkeit.

Das große Risiko liegt darin, dass man letztlich auf dem Totenbett liegt und bereut, was man alles nicht gemacht hat, weil man sich die Zeit dafür nie genommen hat. Dies wird von alten Menschen immer wieder geschildert und MUSS somit eine Warnung sein, dem Thema „Zeiteinsatz“ höchste Priorität einzuräumen. Und dies am besten systematisch, z.B. durch Führen eines Tagebuchs und fester Einplanung von Zeit für die Zeitplanung. Ansonsten bleibt man ein Getriebener, der „nie Zeit für irgendetwas hat“.

Also: Du hast Zeit! Immer! Es liegt in deiner Hand, was du damit tust.

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